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Die Wanze zuhause - aber gerne (12.05.2017)
Fragen wir einmal so:

Würden Sie wollen, dass Sie in Ihrem Heim ständig belauscht und gefilmt, Ihr Verhalten und Ihre Sprache mathematisch ausgewertet werden, indem die gewonnenen Daten in künstliche neuronale Netzen gelangen, sprich dort eine Abbildung erfahren und mit riesigen Datenuniversen korrelieren, damit diese monströsen Cloud-Infrastrukturen ständig dazulernen, wie Sie "ticken" und Ihre Verhaltensmuster letztendlich sogar vorausberechnen können? Eine Wanze in Ihrem Wohnzimmer, die weitreichende Rückschlüsse auf quasi alles ziehen kann, was Sie tun (werden) - eine sehr finstere psychologische Profilierung Ihrer Person vornimmt?
Hätte man diese Frage vor zwanzig Jahren gestellt, wäre die Antwort sicherlich zu 100% mit Nein ausgefallen (man erinnere sich nur an den Aufstand zur Volkszählung). Aber wir leben im Jahr 2017 und die Menschheit wurde in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt zur Kapitulation im Umgang mit Privatsphäre konditioniert und mittlerweile sind die meisten doch komplett schmerzfrei, was die Verwertung ihrer Daten betrifft - der perfekt dressierte Mensch.

Das Phänomen zeigt sich u.a. in der Tragödie, dass sehr viele Menschen genau eine solche Bespitzelungs-Wanze freiwillig kaufen, z.B. Amazon Echo (Pendant Google Home) oder Echo Look. Um solch überflüssige Dinge zu tun, wie bei Amazon per Sprachsteuerung etwas zu kaufen oder zu fragen, ob man heute gut aussieht und wie das Wetter wird, oder die vernetzte Kaffeemaschine per Sprache einzuschalten. Das Ganze zum Preis der Totalüberwachung…

Mittlerweile haben sich ganze Branchen etabliert, die mit solcher künstlichen Intelligenz Geld verdienen. So verwundert es nicht, dass z.B. in den USA mittlerweile über jeden (!) Bürger ein Psychoprofil in Form eines Datendossiers existiert. Z.B. verkauft die Fa. Cambridge Analytica solche Daten an "Interessierte". Ja, die Stasi wäre auch im Glück gewesen…



Im günstigsten Fall bekommen Sie von den IT-Oligarchen werbewirksam genau das Buch empfohlen, welches Sie gerade lesen wollen oder werden anderweitig in Ihrer Kaufentscheidung "unterstützt".

Doch läuft es anders, dann dürfen Sie evtl. in ein bestimmtes Land nicht mehr einreisen, weil Ihr Profil Gefahrenmuster aufzeigt (z.B. haben Sie zuhause die "falschen" Parolen von sich gegeben, das "falsche" Lied unter der Dusche gesungen oder in Diskussionen mit Besuchern eine unpassende politische Meinung vertreten). Oder Sie erfahren die Ablehnung einer Krankenversicherung, weil die Software Sie als depressiv einstuft (natürlich Ihnen das nicht mitteilt) oder festgestellt hat, dass Sie zu viel Alkohol (mit Ihren Freunden) konsumieren.

Läuft es ganz dumm: Stellen Sie sich vor, ein diktatorisches oder autokratisches Regime kommt an solche Daten, dann geht es nicht "nur" um Einreise-Stopps oder Krankenversicherungen, sondern um Verhaftungen (ein europäisches Beispiel haben wir ja gerade vor Augen, Sie wissen, wen ich meine)...ohne Worte.

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass irgendwann irgendwer (Dritter) an die Aufzeichnungen kommt.

Update 20.12.2018:

Es ist passiert, siehe unseren Beitrag vom 20.12.2018 (Tschüss Alexa) sowie

Update 11.04.2019:
Alexa-Gespräche werden abgetippt (11.04.2019)



Holen Sie sich ein solches Wanzen-Gerät ins Haus, wird Ihnen nach kurzer Zeit nicht mehr bewusst sein, dass diese Maschine Ihr Leben bis in alle Ewigkeit mitschneidet und in undurchsichtige Clouds zur Verwertung schickt. Auch derjenige, der sich dies nicht antut, ist gefährdet – nämlich als Besucher in einem verwanzten Heim. Deshalb wäre dort ein solches Schild angebracht:



Die Welt wird so nicht einfacher…mithörende und mitsehende Smartphones, Fernseher, Fitness-Uhren und nun eben auch noch smarte Home-Spitzel in Form von "Lautsprechern". Künstliche Intelligenz namens Siri, Alexa und Cortana etc. (mit Richtmikrofonen, Kamera und Pulsmesser...) sind mit Ihnen...

tl;dr

1984 von George Orwell ist schon lange überholt, wird sozusagen durch die heutigen Menschen selbst persifliert, indem die Total-Überwachung FREIWILLIG zu Gunsten fragwürdiger, überflüssiger Bequemlichkeit in Kauf genommen wird. Smart (clever, gewitzt) ist das nicht! Technische Affinität sollte nicht zu Dummheit mutieren. Bleiben Sie clever!

Kommentare (19) zu diesem BLOG-Eintrag
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milo (12.05.2017 | 14:49 Uhr)

künstliche intelligenz (ki) ist niemals neutral, sondern hat aufgrund der zur verfügung stehenden daten einen einseitigen blickwinkel und somit ein eingebautes vorurteil. darüber muß man sich im klaren sein. je nachdem wer an die daten kommt wird sie anderes interpretieren. damit kann immer gut stimmung für ein lager gemacht werden. ki "liest" nicht nur daten, sondern es formt auch menschen.    

Xavier (12.05.2017 | 15:06 Uhr)

Was soll denn das ganze? Eco inkl. Alexa kann man doch ausschalten!    

bombastique (12.05.2017 | 15:41 Uhr)

@Xavier
und dann, weißt du, ob nicht immer noch zugehört wird. gutgläubig muß man sein. die zukunft wird es zeigen, was passiert.    

Troll (12.05.2017 | 16:26 Uhr)

@bombastique
GANZ GENAU. es bleibt abzuwarten bis die server gehackt wurden und die ersten nacktbilder und sprach-mitschnitte im netz auftauchen oder die leute erpresst werden.

ganz abgesehen davon glaube ich, daß die daten sowieso von den erhebern weitergegeben und verkauft werden.    

Matze (12.05.2017 | 16:45 Uhr)

@bombastique
Es geht nicht darum gutgläubig zu sein! Vielmehr geht es darum, an seinen Prinzipien festzuhalten und diese auch nach Außen zu vertreten - im eigenen wie auch im Interesse aller. Denn es steht viel auf dem Spiel: Die Folgen aus der rasanten Entwicklung moderner Spielzeuge kann in der Gegenwart für den Einzelnen nicht abgeschätzt werden. Umso mehr sollte das Credo lauten, kritisch diesen modernen Kommunikationsmitteln gegenüber zu stehen und nicht wie die Lemminge auf die Klippe zuzurennen.    

Miriam (12.05.2017 | 19:07 Uhr)

@Matze
Besser hätte man es nicht sagen können. Wehrt Euch!    

Andi (12.05.2017 | 16:14 Uhr)

Im Prinzip ist überall eine Alexa, im Auto, im Smartphone, auf dem Klo, im TV, auf dem PC. Da kommt es auf das bißchen Eco auch ncht mehr an.    

Troll (12.05.2017 | 16:27 Uhr)

@Andi
du hast ein smart klo?    

Josef (12.05.2017 | 20:04 Uhr)

Kann man diese Entwicklung noch aufhalten?
Ich gebe dem Autor recht, daß der Mensch in heutiger Zeit auf Privates keinen Wert mehr legt. Zumindest die Jugend betrifft das, denn sie macht sich darüber keine Gedanken mehr. Meine Enkelkinder kümmern sich darum nicht. Das ist mein Eindruck.

Deshalb erscheint es mir wichtig, daß die ältere Generation, ich bin 87 Jahre alt, versucht darauf Einfluß zu nehmen. Ich meine in dem Sinne die jüngeren Generationen aufzuwecken was alles passieren kann. Ich habe in sehr jungen Jahren schlimme Dinge erleben müssen und mir sträuben sich die Haare, von denen nicht mehr viele da sind, wenn man damals, 1933-1945, solche Mittel zur Hand gehabt hätte.    

R. Schröder (13.05.2017 | 07:03 Uhr)

Hallo Herr Murr,

danke für diesen Artikel, der mir aus der Seele spricht.

Viele Grüße
R. Schröder    

arni (13.05.2017 | 09:20 Uhr)

alles blödsinn! habe nichts zu verbergen.

nutze eco seit der ersten stunde und bin sehr zufrieden damit. im bett schalte ich meine kaffeemaschine ein und der kaffee ist fertig bis ich aufgestanden bin. lichter im haus kann ich auch easy aus und anschalten. muss für musikabspielen nicht mehr blöde rumtippen. und infos kann mir alexa auch jederzeit auf zuruf geben. und einkaufen geht super. einkaufszettel per sprache auf das iphone schicken ist megaklasse.

von geheimbünden die mich aushorchen ist mir bisher nichst bekannt :-) ihr malt hier alles sehr schwarz.    

Thomas Murr | Bauser-Enterprises IT (13.05.2017 | 10:35 Uhr)
@arni
Ich möchte mich als Autor des Artikels zu Deinem Kommentar äussern.

Der Beitrag soll die prinzipiellen Gefahren, die mit einer solchen Technik einhergehen, beleuchten. Du zählst hier nur Deine "Vorteile" auf (nebenbei: Ich kann ohne ferngesteuerte Kaffeemaschine leben) und blendest dabei aus, dass Du mit diesen "Bequemlichkeiten" Deine Privatheit einem Konzern zur Verfügung stellst. Die Folgen sind m.E. noch nicht abzusehen.

Das Argument "ich habe nichts zu verbergen" höre ich immer wieder. Privatsphäre gilt als Menschenrecht und beschreibt den nicht öffentlichen Charakter, unbehelligt von äusseren Einflüssen. Deshalb hinkt dieses Argument und kann nicht dafür herhalten, dass man Privatsphäre zugunsten solcher fragwürdigen Vorteile aufgibt oder sich vielleicht nicht einmal darüber im Klaren ist, dass das eben passiert (hier wäre vor allem die junge Generation zu nennen).

Ganz abgesehen davon ziehst Du evtl. andere mit in den Sog (Deine Besucher, die Du hoffentlich darüber aufklärst, dass Amazon mithört), die Ihre Privatheit nicht so einfach aufgeben und deshalb genau diese verbergen möchten bzw. sich selbstbestimmt nur bestimmten Menschen öffnen wollen (z.B. Freunden aber nicht gegenüber Amazon).

Last but not least:
Das Worst Case Szenario, nämlich der Zugriff auf die verwerteten Daten durch weitere Dritte (neben den kommerziellen Interessenten), ist nicht von der Hand zu weisen. Das Interesse von Ermittlungsbehörden oder Kriminellen oder Schurkenstaaten ist mit Sicherheit sehr, sehr hoch. Von Geheimbünden war hier nicht die Rede aber nebenbei: Wie der Name schon für sich spricht, eine Info über DEIN Aushorchen würdest Du bestimmt nicht bekommen! Das liegt in der Natur der Sache.    

arni (13.05.2017 | 11:00 Uhr)

@Thomas Murr | Bauser-Enterprises IT
du bist sowas wie ein verschwörungstheoretiker. am besten du kaufst dir eine schreibmaschine dann kann niemand mitlesen.    

Thomas Murr | Bauser-Enterprises IT (13.05.2017 | 11:10 Uhr)
@arni
Ich nehme Deine Antwort mit Humor zur Kenntnis :-)

Als ITler sehe ich sicherlich Gefahren, die andere nicht sehen (wollen). Und ich gebe zu, dass es zunehmend schwerer oder gar unmöglich wird, mit heutiger Technik überhaupt verantwortungsvoll umgehen zu können. Mit Verschwörungstheorien hat das nichts zu tun. Ich stelle nur fest, dass Datenschutz letztendlich nicht mehr gewährleistet ist. Deshalb gibt es auch Stimmen, die sagen, veröffentlicht ALLES, d.h. aber auch das der Gegenseite...ohne Einseitigkeit. Vielleicht kommt es einmal soweit...    

Troll (13.05.2017 | 11:21 Uhr)

@arni
arni, mit argumenten hast du es nicht so!

wünsche dir viel erfolg beim sprachlichen herumschalten der IoT in deinem zuhause, die dich so erfreuen. amazon freut sich über deine einkäufe und die einblicke in dein leben. win win situation für alle!    

arni (13.05.2017 | 11:30 Uhr)

@Troll
aber deine argumente haben es in sich oder was?
habe jedenfals kein problem damit ob mir kaufempfehlungen gegeben werden. und mehr ist da nicht. wer nicht will muß ja eco nicht kaufen. ich finds megaklasse.    

gianni (13.05.2017 | 14:30 Uhr)

hallooooo - wer kauft so ein scheiß??? denen ist dann nicht mehr zu helfen :(    

pulverfass (14.05.2017 | 13:48 Uhr)

Der Artikel bringt es exakt auf den Punkt!    

Udo (16.05.2018 | 23:29 Uhr)

bin mal gespannt wie sich das mit der mit den neuen gesetzlichen bestimmungen zum datenschutz veträgt, wenn ein mikrofon ständig mithört und den geplapper nachhause telefoniert.